HUMOR IM ALTER
Dienstag, 15. 10. 2002

HUMOR im Alter
Oder warum muss man die „Alten“ aufmuntern?

von DSA Mag. Marisa Fellner

karikatur.eps

„Der Herzschrittmacher“
Illustration von Dr. Piero Lercher
aus seinem amüsanten und lehrreichen Buch
„Medizin in der Karikatur“
erschienen im Verlag Wilhelm Maudrich (2001)
Buchtipps

Lachen und Lächeln
sind spezifische Verhaltens-Phänomene und führen zu physiologischen, emotionalen aber auch sozialen Reaktionen. Beim Lachen ist der ganze Körper einbezogen („schütteln vor Lachen“), beim Lächeln nur der Kopf. Lachen wird meist als „eine unwillkürliche Körperreaktion auf eine als angenehm empfundene Emotion“ definiert. Physiologisch sind beim Lachen nicht nur muskuläre Veränderungen feststellbar, sondern auch Veränderungen der kardiovaskulären Aktivität (peripheres Blutvolumen, Blutdruck, Herzfrequenz), der Atmung, Pupillendilatation, exokrine Sekretion, elektrokortikalen Aktivität und der endokrinen Sektretion. Gerade in den letzten Jahren wurden Untersuchungen bekannt, die belegen sollen, dass eine vermehrte Ausschüttung von Katecholaminen oder Endorphinen während des Lachens auftritt. Beschäftigung mit dem Lachen in der Heilkunde und der Altenpflege ist also keineswegs lächerlich.
Lachen und Lächeln haben auch soziale Funktionen. Sie verändern schlagartig angespannte Situationen und lösen Beschämungs-, Beklemmungs- und Angstgefühle. Lachen ist ansteckend! Diese Kompetenz scheint im Laufe des Lebens bei vielen Menschen aufgrund vielfältiger negativer und belastender Erlebnisse so verdrängt worden zu sein, daß sie im höheren Lebensalter bei manchen kaum noch vorhanden ist. Auch im Rahmen der Sozialisation zum Helfer (z.B. Altenpfleger, Arzt, Krankenschwester, Sozialarbeiter) scheint es bei vielen „auf der Strecke geblieben“ zu sein.

Lesen Sie hier den gesamten Artikel
von Rolf D. Hirsch

Neurosentyp.eps

Der Kleine, Mittlere und Große Neurosentyp
Illustration aus dem Buch von Helmut
Kratochvil (vgl. Buchtipps)

Immer wieder sieht man griesgrämige alte Menschen auf den Straßen, in den Supermärkten, denn Greissler gibt es ja fast keine mehr, was auch nicht gerade zum Humor älterer Menschen beiträgt. Man hört sie erzählen, wie schwer sie es gehabt hätten und wie leicht es für die heutige Jugend sei. Sie kennen diese Geschichten, ich möchte daher an diesem Punkt stoppen und einen anderen Ansatz einbringen.

Eine Umorientierung zu einer humanistischen Erforschung des Altwerdens erfordert, dass wir die Sicht der Welt, welche die Mittel für die Altenforschung verwaltet, aufgeben. Beim diesjährigen Psychotherapiekongress, der dieses Mal in Wien stattfand, gab es auch einen Schwerpunkt der Gerontopsychotherapie hieß. Bei einem Kurzbesuch des Workshops von Dr. Hirsch konnte man sich des Gefühls nicht erwehren, bei den CliniClowns gelandet zu sein. Wie allgemein bekannt tritt Gesundung schneller ein, wenn gelacht wird. Es heißt auch nicht umsonst „Lachen ist gesund“. Natürlich ist Gesundheit ein wesentliches Element, allerdings für alle Altersstufen. Mit Spielzeug wurde nicht gespart, nach dem Motto man ist nie zu alt zum Spielen und es erheitert jedes Alter.
James Hillman, Psychoanalytiker und Autor des Buches „Vom Sinn des langen Lebens“ meint, die finanziellen Mittel der Altersforschung sollen besser dorthin fließen, wo sie den älteren Jahrgängen mehr zu gute kommen: Gemeinschaft, Freiheit, sämtliche Künste, Natur, Stille, Dienst, Einfachheit und Sicherheit. Er möchte, dass der Sinn des langen Lebens erkannt wird.

Im Schlaf
„Bleiben wollen, heißt das Leben verlängern wollen. Genauso wichtig ist aber, dass wir das Leben gründlicher verstehen: das Leben wie es ist, nicht wie es war; das Leben, das intelligent strukturiert ist; das Leben als Instruktion.“ Damit ein Herz nicht hart wird, versteinert und verkleinert, führt er als Gegenmittel die Reue an. Reue befreit das Herz von der Last der toten Vergangenheit und ebnet den Weg für Gnade. Alte Menschen können oft nicht schlafen, man sagt sie brauchen weniger Schlaf, dösen aber dann den ganzen Tag vor sich hin. Ist dies bereits die Heimkehr in den Schoß der Herkunft?

„Rückstände“ im Herzen
Was passiert in den Nächten, in denen sie an die Decke starren? „Wenn Sie still in Ihrem Bett liegen oder über das Wasser in die Ferne starren, führt das Herz Ihnen noch einmal vor, wie Sie vor 40 Jahren Ihren Freund betrogen, die böse Schwester, die gleichgültige Tochter und die feige Freundin gespielt haben. Sie sehen und fühlen die Verletzungen deutlich, die Sie ihrem Ehemann, Geliebten, ihren Eltern, Partnern und Menschen zugefügt haben, die von Ihnen abhängig waren.“ In diesen Nächten filtern wir die Rückstände, die sich im Laufe von mehr als drei Milliarden Herzschlägen angesammelt haben.

Der Herzschrittmacher
Pro Tag zieht sich das Herz ca. 100.000mal zusammen, in einem siebzigjährigen Leben ca. 2,5 milliardenmal und das ohne Pause, ohne Krankenstand und Urlaub.
Unter Belastung, zum Beispiel bei einer anstrengenden körperlichen Tätigkeit, kann die Pumpfrequenz sogar auf 200 Schläge pro Minute gesteigert werden.
Ist die Herzschlagfolge verlangsamt oder unregelmäßig, so lässt sich diese mit einem Herzschrittmacher korrigieren.
Ein Herzschrittmacher ist ein batteriebetriebener Apparat, der in Herznähe eingepflanzt wird und elektrische Impulse verabreicht. Frequenzadaptive Herzschrittmacher verfügen sogar über spezielle Sensoren, die Veränderungen des Körpers (Ruhe oder Belastung) wahrnehmen, wodurch eine Anpassung der Herzfrequenz ermöglicht wird.
Am 8. Oktober 1958 wurde im Karolinska Krankenhaus in Stockholm erstmals einem Menschen ein Herzschrittmacher eingepflanzt. Mittlerweile leben weltweit über eine Million Menschen mit einem Herzschrittmacher. Allein in Österreich, Deutschland und in der Schweiz gibt es 240.000 Herzschrittmacherträger.
Herzfrequenzstörungen, die durch ‚Beschuß mit Amors Pfeilen' verursacht worden sind, stellen keine Indikation für einen Herzschrittmacher dar ...
Dr. Piero Lercher

Attacken des Herzens
Hillman sieht dies nun doch etwas differenzierter: „Da die Idee des Charakters mehr auf dem Herzen als auf irgendeinem anderen Körperteil beruht, können Ängste vor einer Herzattacke auch auf Ängste vor Attacken des Charakters verweisen. Vielleicht verhärtet sich das Herz nicht nur wegen der Aufreibung, die der Stress des Lebens mit sich bringt, sondern auch, weil wir die Kleinlichkeit unseres Herzens nicht bereuen. Und Reue gehört eindeutig zu den späten Lebensjahren.“
Sie könnten allerdings auch so ihr Leben gestallten wie es Helmut Kratochvil in seinem Buch über die Intellektuellen beschreibt. Hier ein kleines Beispiel eines seiner vielen Typen und es darf gelacht werden und zwar in jedem Alter.

Homo ovicephalus astrapoplectus
Der Homo ovicephalus astrapoplectus (astrapoplectus = lat.: der vom Blitz haben Getroffene) ist ebenso wie die vorige Unterart nicht allzu häufig, hat jedoch hauptsächlich keine so verborgene Lebensweise, ist also weitaus leichter zu bemerken. In bestimmten Nischen unseres Zivilisationssystemes kommt es manchmal zum gehäuften Auftreten dieses Typus, wie etwa in Architekturbüros, bei Verkehrsplanern, bestimmte Formen der Lebensberatung, bei Zukunftsvisionären, bei Büros, die sich mit der Formulierung von Gesetzen und Reglementierungen befassen ganz besonders dem Entwerfern von Steuersystemen, bei bestimmten weltanschaulich bzw. philosophisch geprägten Gruppierungen usw. Der Grad der Blitzeinwirkung ist bei den einzelnen Exemplaren unterschiedlich ausgeprägt.
3 Grundtypen
Aus Gründen der Übersichtlichkeit wurden sie in 3 Grundtypen eingeteilt:
a) Der Kleine H. o. a (‚Tiktypus'): Bei ihm sind die namensgebenden Eigenschaften noch relativ schwach ausgebildet. Vertreter dieser Variante haben meist harmlose, für die Gemeinschaft keine Gefahr darstellende Eigenheiten, wie unkontrolliertes Blinzeln, Schulterreißen, näselnde Sprache, Rosenkranzbeten auf der Straße, Sekretärinnenschwängern, Singen im Bad, Streiten mit Handwerkern etc.
b) Der Mittlere H. o. a. (‚Spleentypus'): Er stellt den intermediären Schädigungstyp mit leichten Wirkungen auf die menschliche Gesellschaft dar. Typische Verhaltensweisen sind z.B.: Beim Gassigehen den Hund vergessen, des Nachbarn Müll nach Beweisen für dessen Vegetariertum durchsuchen, sich schriftlich beim Papst für eine offene Hosentüre entschuldigen, die Hebamme rufen, wenn der Kanarienvogel Eier legt u.v.a.
c) Der Große H. o. & (‚Knalltypus'): Dies ist die höchste Form in der Entwicklungsreihe. Seine astrapoplektischen Abweichungen von der Norm haben bereits hohe Auswirkungen auf das gesellschaftliche Geschehen, hauptsächlich wegen der oft völligen Umorganisation der Denkprozesse. Aus jener Gruppe kommen oft die erstaunlichsten Theorien, Feststellungen, Gedanken und Aussagen.
Einige Beispiele
Aphorismen: Das Nötige ist sowieso das Gewesene des Selbigen. Heraklit auf den Außenmauern ist nicht günstig, weil Heraklit auf den Außenmauern nicht sehr günstig ist. Man muß sich trennen, um zusammenarbeiten zu können. Form ist wichtiger als Funktion. Kunst ohne Sozialkritik ist keine Kunst.
Theorien: Die Welt ist eine Hohlkugel, weil sich beim gehen die Schuhe durchbiegen.
Die Welt ist eine Scheibe ? sie kann sich nicht drehen, weil sonst fürchterliche Stürme an der Erdoberfläche toben würden.
Vor dem Jahr 2000 wird ein Meteorit die Erde zerstören. Mistelzweige im Zimmer verhindern böse Energien.
Die Erde ist 6.000 Jahre alt.
Jeder Mensch besitzt seinen persönlichen Weltraumgeist. Eifersüchtige Aliens haben Mozart ermordet.
Strahlen sind Linien oder Bündel von Linien, die von einem Körper ausgehen. Mary Vetsera war eine uneheliche Tochter von Kaiser Franz Joseph.
Man kann die Chinesische Mauer mitfreiem Auge vom Mond aus sehen.
Zu viele Pflanzen im Wohnzimmer sind schlecht, denn sie geben zu viel Stickstoff ab.
Die Menschen haben kein angeborenes geschlechtstypisches Verhalten, es wird ihnen erst später anerzogen.
Man muß die Welt zerstören, dass sie besser wird.
Manche sind vom Teufel besessen, andere werden von ihm geritten.“
Auszug aus dem sehr empfehlenswerten Buch „Die Naturgeschichte der Intellektuellen“ von Helmut Kratochvil erschienen im Verlag Wilhelm Maudrich.
BUCHTIPPS
buch_karikatur.eps

Medizin in
der Karikatur

Ein schräges
Lehrbuch

Dr. Piero Lercher
Verlag Wilhelm Maudrich, 2001
Euro 36,-

buch_sinn.eps

Vom Sinn des langen Lebens
Wir werden, was wir waren
James Hillman
Kösel Verlag, 2000
Euro 22,50

buch_intellektuelle.eps

Die Naturgeschichte der Intellektuellen
Ein nobelpreisverdächtiger
Forschungsbericht
„humoris causa“

Helmut Kratochvil
Verlag Wilhelm Maudrich, 2002
Euro 19,-

up