KOLUMNE
Sonntag, 7. Jänner, 2001

von Mag. Marisa Fellner

MITTLER ZWISCHEN DEN WELTEN

DIE ROLLE DES SOZIALARBEITERS IN DER GESELLSCHAFT

 

Was hat Schamanismus mit moderner Sozialarbeit zu tun? Zwischen welchen Welten vermittelt der Sozialarbeiter in seinem Umfeld?

Mittler zwischen den Welten, so werden Schamanen oft bezeichnet, auch die Ausstellung im Wr. Museum für Völkerkunde im Frühjahr 1999 wurde so benannt. Über Schamanismus können Sie in unserem Online Magazin eine eigene Rubrik finden mit derzeitigen Austellungen zum Thema, einer Seminarbeschreibung eines Wiener Stadtsschamanen, viele Buchtipps und Anleitungen aus der Praxis des Schamanen.

In dieser Kolumne möchte ich allerdings über einen anderen Mittler zwischen den Welten schreiben nämlich den Sozialarbeiter. Einer der oft weniger bekannt ist in unserer Gesellschaft, als der Schamane, zugegeben es gibt ihn noch nicht so lange wie den Schamanen, allerdings trifft man ihn häufiger an zumindest in Wien.

Im Schamanismus gibt es mehrere Welten, die untere, die mittlere und die obere und sie dienen unter anderem auch dazu Menschen zu heilen. Mehr dazu lesen Sie auf unseren Schamanismus Seiten.

Der Sozialarbeiter mit seinem "doppelten Mandat", nämlich den Klienten und dem Staat zu dienen, steht somit auch in einer Mittlerrolle zwischen den Welten nämlich der Welt des Klienten und der Welt der Gesellschaft. Die Aufgabe des Sozialarbeiters ist es doch, den Klienten helfend beizustehen, d. h. er baut eine Helferbeziehung auf. Auch wenn es Hilfe zur Selbsthilfe sein soll, ist es auf der einen Seite immer noch Hilfe. Auf der anderen Seite ist oft der Staat sein Geldgeber und dessen Interessen müssen auch gewahrt werden. Auch wenn hinter dem Brötchengeber eine private Instiution steht, so ist es doch letztlich das Interesse der Gesellschaft, das zählt.

Was verlangt die Gesellschaft von einem Sozialarbeiter? Es mag gut klingen zu sagen, den sozial Schwächern zu helfen. Aber ist es nicht vielmehr der Wunsch der oberen Welt, die untere Welt nicht sehen zu müssen? Ist das nicht die Erwartung, die an den Sozialarbeiter, von der oberen Welt gestellt wird? Zahlt der Staat die Ausbildung des Sozialarbeiters nicht auch deswegen, weil er sie dann für seine Zwecke einsetzen möchte? Was sind seine Zwecke? Na, sagen wir einmal ganz radikal, saubere Straßen. Nüchtern betrachtet. Bitte verzeihen sie mir den nüchternen und direkten Ton.

Peter Lüssi schreibt in seinem Lehrbuch der praktischen Sozialarbeit unter "Durchsetzen der Interventionen"(auf Seite 428) fogendes: "Die notwendigen eingreifenden Maßnahmen und Hilfeleistungen erfogreich zu verwirklichen, ist deshalb besonders schwierig, weil die Intervention gegen den Willen oder doch zumindest ohne das Einverständnis der Interventionsadressaten geschieht. Die Durchführung der Intervention ist mithin recht eigentlich ein Durchsetzen - das haben wir schon oben unter dem Abklärungsaspekt erkannt. Die Hilfeleistungen werden mit der Massnahmedrohung mehr oder minder stark erzwungen, und wo es gilt, Eingriffsmassnahmen tatsächlich zu vollziehen, geht es oft nicht ohne rechtliche oder physische Zwangsanwendung ab."

Aber um nicht den Anschein zu erwecken, daß dieser Artikel sich gegen die Sozialarbeit richtet, denn das ist sicher nicht meine Absicht. Im GEGENTEIL: ich finde Sozialarbeit als sehr wichtig in einem Sozialstaat. So möchte ich noch eine Passage von Peter Lüssi zitieren nämlich aus den Abschnitt "die Persönlichkeit des Sozialarbeiters" Punkt 4 Initiative und Dynamik:

"Soziale Probleme lösen sich in der Regel nicht von selbst, sondern es muss zu ihrer Lösung, zur Veränderung der notvollen Situation etwas unternommen werden. Das Problem lediglich zu bedenken, es zu analysieren und zu verstehen, genügt nicht. Die Problembeteiligten sind meist rat- und hilflos, und es liegt hauptsächlich am Sozialarbeiter, Ideen zu entwickeln, wie man das Problem lösen kann, und als aktive Kraft den Problemlösungsprozess voranzutreiben."

Entsprechend muss er geistig initiativ und willensmässig dynamisch sein. Beides gehört zusammen. Initiative und Dynamik, verstanden als sozialarbeiterische Persönlichkeitsqualitäten, erweisen sich insbesondere darin, dass der Sozialarbeiter von sich aus eine Sache anpackt, nicht bloss und erst, wenn er dazu von anderen gedrängt oder gar gezwungen wird, dass er Veränderung, Neues also und Besseres erstrebt, dass er Vorstellungen zur sozialen Problemlösung, auch originelle, produziert, dass er kraftvoll, geduldig, nötigenfalls hartnäckig Einfluss auf die problemrelevanten Personen ausübt, um sie zu problemlösendem Verhalten und Handeln zu bewegen, dass er wegleitende Entscheidungen fällt und bereit ist, die Verantwortung dafür zu übernehmen. Der initiative, dynamische Mensch ist in seinem ganzen Wesen auf Ziele hin orientiert und setzt seine persönliche Energie laufend zur Verwirklichung dieser Ziele ein. Er ist ein aktiver, nicht bloss reaktiver, ein innovativer und willensbetonter Persönlichkeitstyp."

Nachdem sie diese Worte gelesen haben und die Ansprüche, die an einen Sozialarbeiter gestellt werden nun mit Erstaunen, so hoffe ich, zur Kenntnis genommen haben, bleibt mir nur mehr zu sagen: in meiner nächsten Serie über den Sozialarbeiter werde ich über "burn out" schreiben. Bis dahin wachsam bleiben!

Literatur:
Peter Lüssi, Systemische Sozialarbeit, Praktisches Lehrbuch der Sozialberatung, 4.Auflage,1998,Haupt Verlag, Bern Stuttgart Wien

up