Neu: Frauenstation im API
Juni 25, 2003
Anton-Proksch-Institut (API) Kalksburg
eröffnet neue Frauenstation mit Mutter-Kind-Einheit und Abteilung für Jugendliche
Neue Frauenstation
Frauen trinken anders
NEU: Alkoholabhängigkeit bei Frauen


Neu errichtete Frauenstation des Anton-Proksch-Instituts in Wien-Kalksburg


Prim. Prof. Dr. Rudolf Mader, Dr. Senta Feselmayer, Prim. Dr. Hans Puchinger
(von links nach rechts)


Meditationsraum

Neue Frauenstation im API Kalksburg

Frauen haben in Sachen Alkoholismus kräftig nachgezogen, neuesten Untersuchungen zufolge sind 82.000 Österreicherinnen alkoholkrank. 43 % von Ihnen haben alkoholkranke Eltern, ein Fünftel einen Alkoholiker als Partner und ihre Kinder haben ein 8faches Suchtrisiko. Weil Frauen anders trinken als Männer, bedürfen sie einer speziellen Behandlung.Die neue Frauenstation des API Kalksburg bietet alkoholkranken Frauen eine geschlechtsspezifische Therapie auf der Grundlage der modernen Suchtforschung, mit Wohngruppe für junge Alkoholikerinnen sowie Mutter-Kind-Einheit für Suchtkranke.

„Alkoholismus bei Frauen nimmt deutlich messbar zu, das Verhältnis trinkender Männer zu trinkenden Frauen hat sich im vergangenen Jahrzehnt von 4:1 auf 3:1 verschoben, Frauen haben also bezüglich Alkoholismus stark nachgezogen“, berichtete Primarius Prof. Dr. Rudolf Mader, ärztlicher Leiter und Vorstand des API Kalksburg im Rahmen einer Pressekonferenz. „Zugenommen hat aber auch die Behandlungsbereitschaft alkoholkranker Frauen und die Kombination dieser beiden Faktoren ergibt Wartezeiten von mehreren Wochen für eine stationäre Aufnahme.“

Insgesamt ging es darum, an der größten Suchtklinik Europas in Kalksburg neben dem hervorragenden Behandlungs- und Betreuungsangebot auch eine komfortablere Unterbringung zu ermöglichen. Prim. Mader: „Mit der neuen Frauenstation ist das in vorbildlicher Weise gelungen.“


Ergotherapie in der API-Frauenstation


Neue Jugendabteilung im API


Frauen trinken anders

Alkohol als „Medikament“
Dafür sind mehrere Gründe verantwortlich, sagt Dr. Feselmayer, Leiterin der Psychologischen Abteilung am API Kalksburg: „Frauen setzen Alkohol häufiger als ‘Medikament’ ein, um mit ihren Ängsten, Schmerzen, Kindheitstraumen und Verstimmungen besser umgehen zu können. Sie entwickeln ein Trinkmuster, bei dem schneller größere Mengen Alkohol getrunken werden und es kommt bei ihnen eher zu einem problematischen Konsum und zur Alkoholkrankheit.“ Dieser Prozess wird zusätzlich unterstützt durch physiologische Gegebenheiten, wie den langsameren Alkoholabbau und die raschere Reaktion der Organe.

Zusätzlich sind soziale rollenspezifische Unterschiede von Bedeutung. „Trotz vielfacher Veränderung in den geschlechtsspezifischen Rollenbildern ist die trinkende Frau noch immer stärker stigmatisiert als der trinkende Mann“, analysiert Dr. Feselmayer „der ja zumindest solange bis schwerwiegende Probleme auftauchen durch sein 'viel Vertragen' bzw. viel Trinken in aller Regel ein positiv männliches Image erhält.“

„Von besonderer Bedeutung für die Therapie der Alkoholkrankheit ist die Tatsache, dass Suchterkrankung eine Familienerkrankung ist, es ist praktisch immer die ganze Familie davon betroffen“, sagt Dr. Feselmayer, und zitiert aktuelle Zahlen aus API-Untersuchungen:

  • 43 Prozent der Patientinnen und Patienten haben alkoholkranke Eltern.
  • Knapp ein Fünftel der alkoholkranken Frauen haben einen alkoholkranken Partner.
  • 22 Prozent der Kinder aus Suchtfamilien übernehmen die Suchterkrankung der Eltern, d. h. es besteht in einer Familie mit alkoholkranken Eltern ein 8-fach höheres Risiko, alkoholkrank zu werden.
  • Knapp 100.000 Kinder in Österreich leben in Familien mit einem manifest alkoholkranken Elternteil.
  • 250.000 Kinder haben Eltern mit einem problematischen Umgang mit Alkohol.

Mehrere Faktoren spielen für Kinder aus Familien mit alkoholkranken Eltern eine besondere Rolle. „Diese Kinder lernen an einem 'Modell', dass Alkohol nicht als Genussmittel konsumiert wird, sondern als 'Medikament' eingesetzt wird“, nennt Dr. Feselmayer ein Beispiel. „Es besteht also eine hohe positive Erwartung an den Alkohol, in kritischen Lebenssituationen als Problemlöser zu fungieren. Die hohe positive Erwartung hängt eng mit einer späteren Suchtentwicklung zusammen.“

Besonders problematisch: Trotz dieser Erkenntnisse gibt es in Österreich kaum spezifische Angebote für „Hochrisikokinder“. Das API hat auf diese unbefriedigende Situation reagiert und bietet jetzt eine Angehörigengruppe an für Jugendliche zwischen 12 und 19, deren Eltern alkoholabhängig sind. In dieser Gruppe erhalten die Jugendlichen Information zum Thema Sucht und können über ihre Erfahrungen in der Familie, ihre Belastungen und Hilflosigkeiten zum ersten Mal ohne Beisein eines weiteren Familienmitgliedes sprechen.

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